Sonntag, 10. Januar 2021

Marsch des Lebens: Anklam gedenkt der Holocaust-Opfer (Nordkurier.de 19.2.2020)

 Selbst eiskalter Wind und teils Schneeregen konnte die Anklamer und ihre Gäste am Mittwoch nicht davon abhalten, sich am Vormittag am ehemaligen Standort der Synagoge zu versammeln. Dort gedachten sie der pommerschen Juden, die als Erste von den Nationalsozialisten 80 Jahre zuvor deportiert wurden. Dies sei auch ein Test gewesen, wie die deutsche Bevölkerung auf die Deportation regiere, lautet die bittere Erkenntnis Jahrzehnte später.
Der gesellschaftliche Aufstand gegen das Verbrechen blieb aus – es führte zu millionenfachen Mord in den Konzentrations- und Vernichtungslagern. Darauf könne es nur eine Antwort geben, schloss Anklams zweiter stellvertretender Bürgermeister Bernd Lange in seiner Gedenkansprache: „Nie wieder!“

Am 13. Februar 1940 holte die SS und die SA die jüdischen Mitbürger

Erst das Schweigen der Mehrheit der Bevölkerung habe den Holocaust ermöglicht, verdeutlichte er. In der Nacht auf den 13. Februar 1940 wurden rund 1120 jüdische Bürger aus Anklam, Pasewalk, Greifswald und vielen weiteren Orten Vor- und Hinterpommerns von SS- und SA-Einheiten aus ihren Häusern geholt und nach Stettin gebracht. Von dort aus wurden sie weiter mit Zügen deportiert. Nur 19 von ihnen überlebten den Krieg. Ihr Schicksal dürfe nie vergessen werden.


Antisemitismus und Fremdenhass sind nicht verschwunden

Dieser Aussage stimmte auch Lorenz Sandhofe zu. Der Ueckermünder hatte den „Marsch des
Lebens“ in Anklam organisiert. Nach dem Auftakt im vergangenen Jahr freue er sich durchaus, dass die Gedenkveranstaltung nun schon zum zweiten Mal in Anklam durchgeführt werden konnte, sagte er. Sandhofe bekräftigte in seiner Ansprache, wie wichtig die Erinnerung an die Geschehnisse vor 80 Jahren sei – auch mit Blick auf den Anschlag in Halle im vergangenen Jahr, bei dem ein Mann versuchte, in eine Synagoge einzudringen und dabei zwei Menschen erschoss. Antisemitismus und Fremdenhass seien nie ganz verschwunden. Auch heute bedürfe es daher eines deutlichen Zeichens der Gesellschaft, sich dagegen zu positionieren, so Sandhofe. Ähnlich wie die Holztür der Synagoge in Halle gelte es auch für die Gesellschaft, im entscheidenden Moment standhaft zu sein. Als Zeichen der Verbundenheit mit dem Judentum und des Staates Israel rief er alle Anwesenden dazu auf, sich in Form eines David-Sterns am ehemaligen Standort der Synagoge in Anklam aufzustellen. Zu ihrer Geschichte hatte vorab Anklams Museumsleiter Wilfried Hornburg bereits Ausführungen gemacht. Er leitete auch den anschließenden Marsch durch die Stadt, bei dem an ehemaligen Wohnhäusern jüdischer Bürger, aber auch am Haus von Margarethe Lachmund haltgemacht wurde, um an sie zu erinnern.
Anschließend ging es zur Abschlussveranstaltung bei der Caritas.

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